Autofinanzierung – und die Widerrufsfrist für den Darlehensvertrag

Die unzureichende Information über gem. Art. 247 § 3 Abs. 1 EGBGB in den verbundenen Darlehensvertrag aufzunehmende Pflichtangaben führt dazu, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt. 

Das dem Käufer ursprünglich zustehende Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355, 356b BGB ist daher zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht erloschen, die 14-tägige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 BGB im Zeitpunkt der Widerrufserklärung noch nicht abgelaufen, wenn der Darlehensvertrag nicht alle erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB in hinreichendem Umfang enthält, weshalb die Widerrufsfrist gem. § 356b Abs. 2 BGB nicht zu laufen begonnen hat, und der Autokäufer das Widerrufsrecht auch nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt hat.

So auch in dem hier vom Oberlandesgericht Celle entschiedenen Rechtssttreit, in dem der streitgegenständliche Darlehensvertrag jedenfalls in Bezug auf die nachfolgenden Pflichtangaben nicht hinreichend war:

Die Darlehensgeberin hat im Darlehensvertrag nicht gem. Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB hinreichend über die Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung informiert.

Nach § 502 Abs. 1 BGB kann der Darlehensgeber im Falle der vorzeitigen Rückzahlung eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung verlangen, wobei § 502 Abs. 3 BGB die Höchstgrenzen der Entschädigung festlegt. Die Darlehensgeberin hat die Höchstgrenzen auf Seite 1 des Darlehensvertrags als fixe Größen dargestellt, ohne klarzustellen, dass es sich um Höchstwerte handelt, die nur dann zum Tragen kommen, wenn die zu berechnende angemessene Vorfälligkeitsentschädigung diese übersteigt1.

Die fehlerhafte Angabe zur Vorfälligkeitsentschädigung hat nicht nur deren Unwirksamkeit zur Folge (hierzu s. u.), sondern auch, dass eine Berechnungsmethode für eine angemessene Entschädigung im Sinne des § 502 Abs. 1 BGB und Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 der RL 2008/48/EG (Verbraucherkreditrichtlinie) entgegen Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB nicht mitgeteilt wird, so dass die Pflichtangabe nicht zureichend erteilt wurde2. Eine andere Auffassung führte dazu, dass eine Bank, die eine evident unwirksame Entschädigung durch Festlegung eines konkreten Betrages verlangen würde, im Hinblick auf den Lauf der Widerrufsfrist besser stünde, als eine Bank, die zwar die gesetzlichen Vorgaben zur Höhe einhielte, die Pflichtangaben jedoch nicht in hinreichendem Umfang erteilte.

Ebenso fehlt es an hinreichenden Angaben im Darlehensvertrag zum Verzugszinssatz und der Art und Weise seiner Anpassung nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB.

Hierzu hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Entscheidung vom 09.09.20213 ausgeführt: „Daher ist auf die erste Frage in den Rechtssachen – C-33/20 und – C-155/20 und die dritte Frage in der Rechtssache – C-187/20 zu antworten, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. l der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass in dem Kreditvertrag der zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Vertrags geltende Satz der Verzugszinsen in Form eines konkreten Prozentsatzes anzugeben und der Mechanismus der Anpassung des Verzugszinssatzes konkret zu beschreiben ist. Haben die Parteien des betreffenden Kreditvertrags vereinbart, dass der Verzugszinssatz nach Maßgabe des von der Zentralbank eines Mitgliedstaats festgelegten und in einem für jedermann leicht zugänglichen Amtsblatt bekannt gegebenen Änderung des Basiszinssatzes geändert wird, reicht ein Verweis im Kreditvertrag auf diesen Basiszinssatz aus, sofern die Methode zur Berechnung des Satzes der Verzugszinsen nach Maßgabe des Basiszinssatzes in diesem Vertrag beschrieben wird. Insoweit sind zwei Voraussetzungen zu beachten. Erstens muss die Darstellung dieser Berechnungsmethode für einen Durchschnittsverbraucher, der nicht über Fachkenntnisse im Finanzbereich verfügt, leicht verständlich sein und es ihm ermöglichen, den Verzugszinssatz auf der Grundlage der Angaben im Kreditvertrag zu berechnen. Zweitens muss auch die Häufigkeit der Änderung dieses Basiszinssatzes, die sich nach den nationalen Bestimmungen richtet, in dem fraglichen Kreditvertrag angegeben werden.“

Diesen Anforderungen genügt die Darstellung im hier streitgegenständlichen Darlehensvertrag nicht. Ihr ist weder die Methode zu Berechnung des Satzes der Verzugszinsen noch die Häufigkeit der Änderung des Basiszinssatzes zu entnehmen. Dass diese Angaben nach der Auffassung der Darlehensgeberin für jedermann leicht zugänglich sind, reicht nach den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union gerade nicht aus. Zudem ist der bei Vertragsschluss geltende Verzugszinssatz nach der zitierten Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union konkret anzugeben. Dem genügt die Darstellung im streitgegenständlichen Darlehensvertrag ebenfalls nicht. Soweit in der Rechtsprechung teilweise vertreten wird, dass die vom Gerichtshof der Europäischen Union vorgenommene Auslegung der Verbraucherkreditrichtlinie über die Wortlautgrenze der nationalen Vorschrift des Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB hinausgehe4 oder dass der Darlehensgeber bei Vertragsschluss darauf vertrauen durfte, dass die von ihm erteilten Pflichtangaben hinreichend seien5, teilt das Oberlandesgericht diese Auffassungen nicht. Die Argumentation unter Heranziehung der Wortlautgrenze scheitert schon daran, dass der nationale Gesetzgeber die Regelung des Art. 10 Abs. 2 lit. l)) der Verbraucherkreditrichtlinie nahezu wortgleich in nationales Recht umgesetzt hat und Art. 10 Abs. 2 eine vollständige Harmonisierung der in Kreditverträge zwingend aufzunehmenden Angaben enthält6, womit dem deutschen Gesetzgeber nach Art. 22 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie verwehrt ist, abweichende Vorschriften zu erlassen, so dass von einer inhaltsgleichen Auslegung der europäischen als auch der nationalen Vorschriften auszugehen ist. Der Wortlaut der entsprechenden Normen steht der vom Gerichtshof der Europäischen Union getroffenen Auslegung nicht entgegen. Dass eine für den Vertragsschluss relevante Norm in einer nach Abschluss des Vertrags ergehenden Entscheidung anders ausgelegt wird, als von den Parteien bei Vertragsschluss angenommen, kann im Übrigen einen Vertrauensschutz nicht begründen, sondern ist Teil der Rechtsunsicherheit, die zwar durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung in möglichst geringem Maße zu halten, jedoch jedem Vertragsschluss immanent und nicht gänzlich vermeidbar ist. Könnte sich ein Vertragspartner beliebig auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen, wenn eine aus seiner Sicht nachteilige Auslegung eines Gesetztes droht, bliebe für eine richterliche Rechtsfortbildung, normiert etwa in § 511 Abs. 4 Nr. 1, § 543 Abs. 2 Nr. 2, § 566 Abs. 4 Nr. 2 ZPO und § 132 Abs. 4 GVG, als anerkannte Gestaltungsmöglichkeit der Judikativen und damit Ausdruck der Gewaltenteilung nach Art.20 Abs. 3 GG7 kein Raum mehr.

Unzureichend sind darüber hinaus die Angaben zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren gem. Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB. Hierzu hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem bereits zitierten Urteil8 ausgeführt: „Nach alledem ist auf die sechste Frage in der Rechtssache – C-187/20 zu antworten, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. t der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass im Kreditvertrag die wesentlichen Informationen über alle dem Verbraucher zur Verfügung stehenden außergerichtlichen Beschwerde- oder Rechtsbehelfsverfahren und gegebenenfalls die mit diesen Verfahren verbundenen Kosten, darüber, ob die Beschwerde oder der Rechtsbehelf per Post oder elektronisch einzureichen ist, über die physische oder elektronische Adresse, an die die Beschwerde oder der Rechtsbehelf zu senden ist, und über die sonstigen formalen Voraussetzungen, denen die Beschwerde oder der Rechtsbehelf unterliegt, anzugeben sind. Was diese Informationen betrifft, reicht ein bloßer Verweis im Kreditvertrag auf eine im Internet abrufbare Verfahrensordnung oder auf ein anderes Schriftstück oder Dokument, in dem die Modalitäten der außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren festgelegt sind, nicht aus.“

Nach dieser Maßgabe genügt die Information im streitgegenständlichen Darlehensvertrag nicht den Anforderungen des Art. 247 § 7 Nr. 4 EGBGB. In den Darlehensbedingungen wird in Ziff. X. 03. auf die Möglichkeit eines außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren hingewiesen. Es finden sich jedoch weder Regelungen zu den Kosten noch ist nach der nunmehr maßgeblichen EuGH-Rechtsprechung der Verweis auf die im Internet abrufbare Verfahrensordnung zureichend. Dabei ist es unerheblich, dass nach der im Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrags geltenden Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe, dort § 6 Abs. 2, eine Kostentragung des Bankenverbandes vorgesehen ist, den Autokäufer mithin keine Kosten treffen. Denn gerade um diesen Umstand weiß der Autokäufer mangels der hinreichenden Information nicht, was ihn von der Durchführung eines entsprechenden Verfahrens abhalten könnte. Zudem hat der Darlehensnehmer nach § 6 Abs. 3 der Verfahrensordnung die in eigener Person entstehenden Kosten selbst zu tragen, was sich aus dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag nicht ergibt. Weitergehende Informationen zu den formalen Beschwerdevoraussetzungen als die Adresse der Beschwerdestelle, insbesondere zu den in § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung genannten Erfordernissen, enthält die Regelung in Ziff. X 3. der Darlehensbedingungen der Darlehensgeberin zudem nicht. Soweit auch hier vertreten wird, dass ein Vertrauensschutz des Darlehensgebers der von dem Gerichtshof der Europäischen Union getroffenen Auslegung entgegensteht5, gelten die obigen Ausführungen zur Pflichtangabe des Verzugszinssatzes entsprechend.

Auch die Angaben zur Art des Darlehens gem. Art 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB sind vorliegend nicht hinreichend klar und verständlich.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierzu in seinem bereits zitierten Urteil9 ausgeführt: „Daher ist auf die erste Frage in der Rechtssache – C-187/20 zu antworten, dass Art. 10 Abs. 2 Buchst. a, c und e der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen ist, dass im Kreditvertrag gegebenenfalls in klarer, prägnanter Form angegeben werden muss, dass es sich um einen „verbundenen Kreditvertrag“ im Sinne von Art. 3 Buchst. n dieser Richtlinie handelt und dass dieser Vertrag als befristeter Vertrag geschlossen worden ist.“

Der Darlehensvertrag ist vorliegend als „Ratenkredit mit festem Zinssatz und Zusatzvereinbarung“ bezeichnet und lässt damit jedenfalls offen, ob es sich um einen verbundenen Vertrag handelt. Aus der Formulierung „Zusatzvereinbarung“ lässt sich nicht mit der hinreichenden Sicherheit schließen, dass es sich bei dieser zusätzlichen Vereinbarung auch um einen verbundenen Vertrag im Sinne des Art. 3 lit. n)) der Verbraucherkreditrichtlinie handelt. Diese unzureichende Angabe wird auch nicht dadurch hinreichend klar und verständlich, dass auf Seite 1 des Vertrags weiter ausgeführt wird, dass das Darlehen für „nachfolgendes Finanzierungsobjekt“ beantragt und als Darlehensvermittler die Verkäuferin des Fahrzeugs genannt wird. Ebenso ist unzureichend, dass in der Widerrufsinformation angegeben ist, dass es sich um verbundene Verträge handelt. Denn für eine hinreichend klare und verständliche Information des Verbrauchers ist es nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gerade erforderlich, dass dieser bereits aus der Überschrift des Vertrages ersehen kann, dass es sich um einen verbundenen Vertrag handelt10.

Inwieweit die Darlehensgeberin vor diesem Hintergrund hinreichend über den Umstand der Befristung des Darlehensvertrags informiert hat, kann wegen der unzureichenden Mitteilung über den Charakter des Darlehensvertrags als verbundener Vertrag dahingestellt bleiben.

Folge der fehlerhaften Pflichtangaben ist, dass die Widerrufsfrist gem. § 356b Abs. 2 BGB vorliegend nicht zu laufen begonnen hat11.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat hierzu in seinem bereits zitierten Urteil12 ausgeführt: „Für die Beantwortung dieser Fragen ist darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2008/48 ergibt, die Widerrufsfrist erst zu laufen beginnt, wenn dem Verbraucher die Informationen gemäß Art. 10 dieser Richtlinie übermittelt wurden, sofern der betreffende Zeitpunkt nach dem Tag des Abschlusses des Kreditvertrags liegt. Besagter Art. 10 zählt die Informationen auf, die in Kreditverträgen anzugeben sind.“

Zwar erfolgen diese Ausführungen zu den vorgelegten Fragen zur Verwirkung. Ihnen ist jedoch verallgemeinernd zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist generell nicht zu laufen beginnt, wenn eine der Informationen nach Art. 10 der Verbraucherkreditrichtlinie nicht oder nicht ordnungsgemäß erteilt wurde.

Dies ergibt sich auch daraus, dass der Gerichtshof der Europäischen Union in Rn. 12413 den Strafcharakter des Art. 14 Abs. 1 lit. b)) VerbrKrRL hervorgehoben hat, wonach der Kreditgeber, der ihm die in Art. 10 der Richtlinie vorgesehenen Informationen nicht erteilt, hierfür bestraft werden soll.

Auch schließt die Regelung des § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB die Widerruflichkeit des Vertrages im vorliegenden Fall nicht aus.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB als Rechtsfolge neben § 356b Abs. 2 BGB tritt oder ob es sich bei den dort geregelten Folgen um hinreichende Sanktionen im Sinne des Art. 23 der Verbraucherkreditrichtlinie handelt, die eine Widerruflichkeit des Vertrages ausschließen.

Denn außer den Regelungen zur Vorfälligkeitsentschädigung, die bereits wegen ihres Verstoßes gegen § 502 Abs. 1, Abs. 3 BGB gemäß § 512 BGB in Verbindung mit § 134 BGB nichtig sind14, unterfallen keine der weiteren unzureichenden Pflichtangaben dem Anwendungsbereich des § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB oder sind anderweitig hinreichend sanktioniert. Dass der Wegfall des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung eine hinreichende Sanktion für die unzureichende Erteilung der entsprechenden Pflichtangabe darstellt15, ist im Lichte der zitierten Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zweifelhaft, kann aber wegen der nachstehend näher auszuführenden fehlenden Sanktionierung der weiteren unzureichenden Pflichtangaben im Ergebnis offen bleiben.

Der Anwendungsbereich des § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB beschränkt sich auf Kosten, die entgegen Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB nicht in der Vertragsurkunde angegeben wurden. Bereits die begriffliche Unterscheidung in § 494 Abs. 4 Satz 2 BGB zeigt, dass der Gesetzgeber Zinsen nicht zu den Kosten zählt und an versäumte Angaben zu Zinsen folglich nicht den Wegfall des darauf gerichteten Anspruchs knüpft. Aber selbst wenn anzunehmen wäre, nicht nur § 494 Abs. 4 Satz 2 BGB, sondern auch § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB gelte für Zinsen und Kosten, fiele der Verzugszins nicht darunter, denn mit Zinsen und Kosten im Sinne des § 494 Abs. 4 Satz 2 BGB sind nur preisbestimmende Faktoren gemeint16.

Eine analoge Anwendung des § 494 Abs. 4 Satz 1 BGB auf fehlende Pflichtangaben kommt angesichts des Fehlens einer Regelungslücke, aber auch nach dem Zweck der Norm nicht in Betracht. Für den Fall der Heilung des Formmangels wegen fehlender Pflichtangaben (§ 494 Abs. 1 BGB) ordnet die Regelung in § 494 Abs. 2 bis 6 BGB als Sanktion für die Verletzung bestimmter Informationspflichten einzelne Änderungen der vertraglichen Vereinbarungen an, um zum Schutz des Verbrauchers einen interessengerechten Inhalt des Vertrages zu gewährleisten. Das Gesetz sieht aber gerade nicht für sämtliche nach § 492 Abs. 2 BGB notwendigen Angaben Sanktionen vor und lässt sich deshalb entgegen der Auffassung der Darlehensgeberin auch nicht dahin verallgemeinern, dass der Unternehmer, der über seine Rechte gegenüber dem Darlehensnehmer unzureichend informiert, diese Rechte verliert17. Die Sanktion der Nichtigkeit nach § 494 Abs. 1 BGB stellt sich wegen der regelmäßig nach § 494 Abs. 2 Satz 1 BGB eingetretenen Heilung als keine echte Sanktion im Sinne der europarechtlichen Vorgaben dar.

Eine analoge Anwendung im Hinblick auf die fehlerhaften Angaben zum außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren führte zudem zu der Problematik, dass hier keine denkbare Sanktion der Darlehensgeberin in Betracht käme. § 494 Abs. 1 BGB verweist nicht auf Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB. Hierzu trägt auch die Darlehensgeberin nicht vor. Eine Sanktionslosigkeit von Verstößen gegen § 492 Abs. 2 BGB ist im Lichte europarechtlicher Vorgaben, insbesondere Art. 23 der Verbraucherkreditrichtlinie, die ausdrücklich von „abschreckenden“ Maßnahmen spricht, nicht möglich. Mangels entsprechender anderweitiger gesetzlicher Vorgaben muss es daher bei dem gesetzlich vorgesehenen Regelfall einer grundsätzlichen Rückabwicklung der Vertragsbeziehungen im Falle eines wirksamen Widerrufs verbleiben18. Dem steht auch nicht die von der Darlehensgeberin in der mündlichen Verhandlung hervorgehobene Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 10.06.202119 entgegen. Dort hatte der Gerichtshof der Europäischen Union über die Frage zu entscheiden, ob eine im nationalen Recht vorgesehene Sanktion in Gestalt einer Geldbuße für das Unterlassen einer Kreditwürdigkeitsprüfung sich als hinreichend im Sinne des Art. 23 der Verbraucherkreditrichtlinie darstellt. Der Sachverhalt ist damit mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar; überdies hat der Gerichtshof der Europäischen Union auch dort an keiner Stelle festgehalten, das einzelne Verstöße sanktionslos bleiben können.

Die Ausübung des Widerrufsrechts durch den Autokäufer ist im vorliegenden Fall auch nicht rechtsmissbräuchlich. Insbesondere ergibt sich eine unzulässige Rechtsausübung des Autokäufers in Gestalt der Verwirkung entgegen der Auffassung der Darlehensgeberin nicht daraus, dass der Autokäufer das Fahrzeug im täglichen Gebrauch nutzt.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sieht die Verbraucherkreditrichtlinie keine zeitliche Beschränkung der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Verbraucher für den Fall vor, dass ihm diese Informationen nicht erteilt wurden, so dass eine solche Beschränkung mithin auch nicht in einem Mitgliedstaat durch die nationalen Rechtsvorschriften auferlegt werden20. Es ist dem Kreditgeber daher verwehrt, sich gegenüber der Ausübung des Widerrufsrechts gemäß Art. 14 der Verbraucherkreditrichtlinie durch den Verbraucher auf den Einwand der Verwirkung zu berufen, wenn eine der in Art. 10 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen zwingenden Angaben weder im Kreditvertrag enthalten noch nachträglich ordnungsgemäß mitgeteilt worden ist, unabhängig davon, ob der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Kenntnis hatte, ohne dass er diese Unkenntnis zu vertreten hat21.

Zwar hat der Bundesgerichtshof durch Beschluss vom 31.01.202222 dem Gerichtshof der Europäischen Union erneut die Frage vorgelegt, ob Art. 14 Abs. 1 der Verbraucherkreditrichtlinie dahin auszulegen ist, dass es den nationalen Gerichten nicht verwehrt ist, im Einzelfall bei Vorliegen besonderer, über den bloßen Zeitablauf hinausgehender Umstände die Berufung des Verbrauchers auf sein wirksam ausgeübtes Widerrufsrecht als missbräuchlich oder betrügerisch zu bewerten mit der Folge, dass ihm die vorteilhaften Rechtsfolgen des Widerrufs versagt werden können. In seiner Begründung hat der Bundesgerichtshof allerdings aufgeführt, dass ein rechtsmissbräuchliches Verhalten (nur) dann in Betracht kommt, wenn es dem Darlehensnehmer nicht um die Rückabwicklung des Vertrages, sondern darum geht, das finanzierte Fahrzeug nach längerer bestimmungsgemäßer Nutzung kostenfrei zurückgeben zu können23, mithin neben die Weiternutzung des Fahrzeugs kumulativ noch die Negierung eines Wertersatzanspruchs der Bank tritt.

Dies ergibt sich auch draus, dass sämtlichen unter dem Aktenzeichen XI ZR 113/21 durch den Bundesgerichtshof zusammengeführten Fällen gemein ist, dass die Berufungsgerichte einen Rechtsmissbrauch nur bejaht haben, wenn der jeweilige Autokäufer das Fahrzeug nach dem Widerruf weiter nutzt und gleichzeitig seine Pflicht zum Wertersatz negiert.

Hier steht der Annahme eines Rechtsmissbrauchs jedoch entgegen, dass der Autokäufer seine Pflicht zur Leistung von Wertersatz dem Grunde nach ausdrücklich anerkannt hat. Unerheblich ist insoweit, dass er selbst lediglich einen geringen Wertersatzanspruch der Darlehensgeberin von seinen eigenen Ansprüchen in Abzug gebracht hat. Denn durch das Anerkenntnis hat er deutlich gemacht, dass er nicht gewillt ist, das Fahrzeug kostenfrei zu nutzen, sondern die Darlehensgeberin für die weitere Nutzung zu kompensieren, auch wenn die Höhe der Kompensation im Einzelnen streitig ist. Eine Aussetzung des vorliegenden Verfahrens kam demzufolge nicht in Betracht.

Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 25. März 2022 – 3 U 130/21

  1. vgl. dazu bereits BGH, Urteil vom 28.07.2020 – XI ZR 288/19, Rn. 24[]
  2. a. A. OLG Bamberg, Urteil auf die mündliche Verhandlung vom 03.11.2021 – 8 U 54/21, nicht veröffentlicht[]
  3. EuGH, Urteil vom 09.09.2021 – C-33/20, – C-155/20, – C-187/20, Rn. 95[]
  4. LG München I, Urteil vom 13.01.2022 – 28 O 5167/21, nicht veröffentlicht[]
  5. OLG Bamberg a.a.O.[][]
  6. EuGH, Urteil vom 09.11.2016 – C-42/15, Rn. 56 ff.; EuGH, Urteil vom 26.03.2020 – C-779/18, Rn. 45[]
  7. vgl. BVerfG, Urteil vom 18.12.1953 – 1 BvL 106/53, BVerfGE 3, 225-248 Rn. 44[]
  8. EuGH, Urteil vom 09.09.2021 – C-33/20, – C-155/20, – C-187/20, Rn. 138[]
  9. EuGH, Urteil vom 09.09.2021 – C-33/20, – C-155/20, – C-187/20, Rn. 74[]
  10. a.A. OLG Bamberg a.a.O.[]
  11. vgl. dazu bereits OLG, Urteil vom 02.02.2022 – 3 U 51/21[]
  12. EuGH, Urteil vom 09.09.2021 – C-33/20, – C-155/20, – C-187/20, Rn. 114[]
  13. zitiert nach juris[]
  14. vgl. BGH, Urteil vom 28.07.2020 – XI ZR 288/19, BGHZ 226, 310-321 Rn. 24[]
  15. so noch BGH, Urteil vom 28.07.2020 a.a.O. Rn. 25[]
  16. vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 02.11.2021 – 6 U 32/19, Rn. 34; MünchKomm-BGB/Schürnbrand/Weber, 8. Aufl.2019, § 494 Rn. 37[]
  17. vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 02.11.2021. a.a.O., Rn. 35[]
  18. so auch: OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.11.2021 – I-16 U 291/20, Rn. 29[]
  19. Az. – C-303/20, veröffentlicht in juris[]
  20. vgl. EuGH, Urteil vom 09.09.2021, a.a.O., Rn. 117[]
  21. vgl. EuGH, Urteil vom 09.09.2021, a.a.O., Rn. 118[]
  22. Az. XI ZR 113/21[]
  23. Rn. 74, zitiert nach juris[]