Fluggastrecht für einen US-Anschlussflug

Der Begriff „direkte Anschlussflüge“ im Sinne von Art. 2 Buchst. h FluggastrechteVO kann auch einen Beförderungsvorgang erfassen, der aus mehreren Flügen besteht, die von unterschiedlichen, nicht durch eine besondere rechtliche Beziehung miteinander verbundenen Luftfahrtunternehmen ausgeführt werden. Ausreichend dafür ist, dass die Flüge von einem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurden, das einen einheitlichen Flugschein im Sinne von Art. 2 Buchst. f FluggastrechteVO ausgegeben hat1.

Die Fluggastrechteverordnung ist gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a anwendbar für Fluggäste, die ihren Flug im Gebiet eines Mitgliedstaats antreten. Aus Art. 2 Buchst. h FluggastrechteVO folgt, dass die Verordnung auch anzuwenden ist, wenn der Fluggast seinen endgültigen Zielort über direkte Anschlussflüge erreicht.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist die Anwendbarkeit der Fluggastrechteverordnung bei einem Flug mit direkten Anschlussflügen unter Berücksichtigung des ersten Abflugorts und des Endziels zu beurteilen, wenn der Flug als eine Gesamtheit anzusehen ist2.

Der Begriff „direkte Anschlussflüge“ im Sinne von Art. 2 Buchst. h FluggastrechteVO ist dahin zu verstehen, dass er zwei oder mehr Flüge bezeichnet, die für die Zwecke des in der Verordnung geregelten Ausgleichsanspruchs von Fluggästen eine Gesamtheit darstellen. Eine solche Gesamtheit liegt vor, wenn zwei oder mehrere Flüge Gegenstand einer einzigen Buchung waren3. Die Frage, wie das Gepäck befördert wird, ist hierbei grundsätzlich unerheblich.

Wie der Unionsgerichtshof auf das im Streitfall ergangene Vorlageersuchen entschieden hat, kann der Begriff „direkte Anschlussflüge“ auch einen Beförderungsvorgang erfassen, der aus mehreren Flügen besteht, die von unterschiedlichen, nicht durch eine besondere rechtliche Beziehung miteinander verbundenen ausführenden Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden. Ausreichend dafür ist, dass die Flüge von einem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurden, das einen einheitlichen Flugschein im Sinne von Art. 2 Buchst. f FluggastrechteVO ausgegeben hat4. Auch in diesem Zusammenhang sind Einzelheiten der Gepäckbeförderung grundsätzlich nicht von Bedeutung.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall hat das Reisebüro einen einheitlichen Flugschein für alle Teilsegmente ausgegeben. Das Reisebüro hat eine Rechnung zu einem „Vermittlungsauftrag“ erteilt, die für die hier interessierenden Flüge sowie für den Rückflug von Kansas City über Chicago und Heathrow nach Stuttgart einen einheitlichen „Teilnehmerpreis“ ausweist. Aus der Rechnung ergibt sich ferner, dass das Reisebüro für die Flüge ein einheitliches elektronisches Ticket ausgegeben hat, dessen Nummer – zum Teil ergänzt durch zusätzliche Ziffern – auch auf den Bordkarten für die drei hier interessierenden Flüge wiedergegeben ist.

Vor diesem Hintergrund sind die drei gebuchten Flüge als einheitlicher Flug anzusehen. Dies hat zur Folge, dass der Abflugort Stuttgart ist und damit auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a FluggastrechteVO liegt.

Die Voraussetzungen für einen Ausgleichsanspruch wegen großer Ankunftsverspätung sind erfüllt, weil diePassagierin mehr als drei Stunden später als vorgesehen in Kansas City angekommen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist für die Entstehung eines Ausgleichsanspruchs maßgeblich, ob ein Zeitverlust von drei Stunden oder mehr am Endziel eingetreten ist5.

Endziel ist gemäß der auch in diesem Zusammenhang maßgeblichen Definition in Art. 2 Buchst. h FluggastrechteVO der Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein, bei direkten Anschlussflügen der Zielort des letzten Fluges6.

Im Streitfall ist danach Kansas City das Endziel der Flugreise, die in Stuttgart begonnen hat.

Die drei Teilflüge sind auch in diesem Zusammenhang als Gesamtheit zu betrachten, weil der Klägerin eine einheitliche bestätigte Buchung erteilt worden ist.

Der Entschädigungsanspruch richtet sich gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen.

Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass jedes ausführende Luftfahrtunternehmen, das an der Durchführung mindestens eines Teilflugs eines als Gesamtheit anzusehenden Flugs beteiligt ist, die Ausgleichszahlung unabhängig davon schuldet, ob der von ihm durchgeführte Flug die große Verspätung des Fluggastes bei der Ankunft an seinem Endziel verursacht hat oder nicht7.

Der Anspruch ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das beklagte Luftfahrtunterehmen nicht unmittelbar an der Buchung des Fluges beteiligt war.

Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen haftet nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch dann, wenn der Beförderungsvertrag über einen Dritten geschlossen wurde, zum Beispiel über eine elektronische Plattform8.

In der im Streitfall ergangenen Entscheidung hat der Gerichtshof bestätigt, dass dies auch für den Fall einer Buchung durch ein Reisebüro gilt. Das ausführende Luftfahrtunternehmen, das die von der Verordnung vorgesehene Ausgleichszahlung hat leisten müssen, ist nach der Verordnung nicht gehindert, sich zwecks Ausgleich dieser finanziellen Belastung namentlich an die Person zu halten, über die die Flugscheine ausgegeben wurden, wenn diese Person gegen ihre Verpflichtungen verstoßen hat9.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Mai 2023 – X ZR 15/20

  1. im Anschluss an EuGH, Urteil vom 06.10.2022 – C436/21, NJW 2022, 3343 Rn. 2531[]
  2. EuGH, Urteil vom 31.05.2018 – C537/17, NJW 2018, 2032 Rn. 25 f. – Wegener/Royal Air Maroc; Urteil vom 11.07.2019 – C502/18, NJW 2019, 2595 = RRa 2019, 222 Rn. 16 – České aerolinie; Beschluss vom 12.11.2020 C367/20, RRa 2021, 125 Rn.19 – KLM[]
  3. EuGH, NJW 2022, 3343 Rn.20; NJW 2018, 2032 Rn. 18 f. – Wegener/Royal Air Maroc[]
  4. EuGH, NJW 2022, 3343 Rn. 2531[]
  5. EuGH, Urteil vom 19.11.2009 – C402/07, NJW 2010, 43 = RRa 2009, 282 Rn. 57 – Sturgeon; Urteil vom 23.10.2012 – C581/10, NJW 2013, 671 = RRa 2012, 272 Rn. 40 – Nelson[]
  6. EuGH, Urteil vom 26.02.2013 – C11/11, NJW 2013, 1291 = RRa 2013, 78 Rn. 37 – Folkerts[]
  7. EuGH, Urteil vom 11.07.2019 – C502/18, NJW 2019, 2595 = RRa 2019, 222 Rn.2026 – České aerolinie; Beschluss vom 12.11.2020 C367/20, RRa 2021, 125 Rn. 28 f. – KLM[]
  8. EuGH, Urteil vom 21.12.2021 C263/20, RRa 2022, 86 Rn. 52 f. – Laudamotion; Urteil vom 11.05.2017 – C302/16, RRa 2017, 172 Rn. 26 – Krijgsman[]
  9. EuGH, NJW 2022, 3343 Rn. 30[]