Die Umzugskosten des Mieters als Kündigungsfolgeschaden

Der Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens gegenüber dem auf Erstattung von Umzugskosten als Kündigungsfolgeschaden gerichteten Schadenersatzanspruch des Mieters ist ausgeschlossen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Mietvertragspartei, die durch eine von ihr zu vertretende Vertragsverletzung die andere Partei zu einer wirksamen außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages veranlasst hat, dieser Partei zum Ersatz des hierdurch verursachten Schadens (sog. Kündigungs- oder Kündigungsfolgeschaden) verpflichtet1. Grundlage für einen auf Ersatz des Kündigungsfolgeschadens gerichteten Schadenersatzanspruch des Mieters ist entweder § 280 Abs. 1 BGB oder – wie im vorliegenden Fall – § 536 a Abs. 1 BGB, wenn die außerordentliche Kündigung wegen eines Umstands erfolgt, der zugleich einen Mangel der Mietsache im Sinne des § 536 BGB begründet2. Der Anspruch setzt die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung voraus, weil er gerade denjenigen Schaden erfasst, welcher infolge der vorzeitigen Beendigung des Mietverhältnisses entstanden ist3. Wird das Mietverhältnis demgegenüber nicht gekündigt oder ist eine von dem Mieter ausgesprochene Kündigung etwa aus formellen Gründen unwirksam, können die mit der Anmietung von Ersatzräumen und der damit einhergehenden Freigabe der bisherigen Mieträume verbundenen Vermögensschäden des Mieters nach § 536 a Abs. 1 BGB auch als Mangelschaden erstattungsfähig sein. Das ist dann der Fall, wenn der Mieter bestehende Mängel der Mietsache berechtigterweise zum Anlass nimmt, wegen einer nicht mehr vorhandenen Tauglichkeit der Mieträume zum vertragsgemäßen Gebrauch den Umständen nach angemessene neue Räume anzumieten4.

Wird der Mieter deshalb zu einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund herausgefordert, weil ihm der Vermieter den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache aufgrund eines anfänglichen Mangels nicht gewährt oder wieder entzogen hat, haftet der Vermieter im Wege einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung (§ 536 a Abs. 1, 1. Alt. BGB) nach allgemeiner Ansicht auch für den kündigungsbedingten Schaden des Mieters5. Soweit behördliche Beschränkungen den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache beeinträchtigen, setzt ein auf eine öffentlichrechtliche Gebrauchsbeschränkung gestützter anfänglicher Mangel im Sinne von § 536 a Abs. 1, 1. Alt. BGB mindestens voraus, dass schon im Zeitpunkt der Ge- brauchsüberlassung mit einem späteren behördlichen Einschreiten während der vereinbarten Vertragszeit zu rechnen ist und die Behörde aufgrund der einschlägigen Vorschriften nicht nur dazu berechtigt, sondern dazu verpflichtet ist, die vertraglich vorgesehene Nutzung der Mietsache zu untersagen6.

Hat der Mieter das Mietverhältnis nach einem vertragswidrigen Verhalten des Vermieters wirksam gekündigt, umfasst der ihm zu ersetzende Kündigungsfolgeschaden auch die notwendigen Umzugskosten7.

Eine schadensrechtliche Berücksichtigung von Umzugskosten ist auch nciht unter dem Gesichtspunkt eines rechtmäßigen Alternativverhaltens deshalb ausgeschlossen, weil die Vermieterin das Mietverhältnis ihrerseits hätte kündigen können.

Allerdings kann die Berufung des Schädigers auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten, d.h. der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein. Die Erheblichkeit des Einwands richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm8. Voraussetzung ist zudem, dass derselbe Erfolg effektiv herbeigeführt worden wäre; die bloße Möglichkeit, ihn rechtmäßig herbeiführen zu können, reicht nicht aus9.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Wäre die Außenfassade des Mietobjekts nicht bauordnungswidrig mit brennbaren Materialien ausgeführt worden bzw. hätte die Vermieterin die genannten Mängel rechtzeitig vor der Nutzungsuntersagung durch die Stadt B. beseitigt, wäre das Mietverhältnis nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gekündigt worden und der mit den Umzugskosten verbundene Vermögenschaden beim Mieter nicht eingetreten. Der Einwand der Vermieterin, sie hätte das Mietverhältnis nach der behördlichen Nutzungsuntersagung ihrerseits ordentlich oder – wie sie erstmals in der Revisionsinstanz für sich reklamiert – außerordentlich gekündigt, ist mit Blick auf den Schutzzweck der §§ 536 Abs. 1, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB nicht erheblich.

Diese Vorschriften bezwecken es gerade, den Mieter dagegen zu sichern, dass der Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses durch mangelbedingte Nichtgewährung oder Entziehung des vertragsgemäßen Gebrauchs für den Mieter unzumutbar macht. Greift der Mieter deshalb berechtigt zur Kündigung, büßt er sein vertragliches Recht zum Gebrauch der Mietsache ein, so dass der Vermieter dann verpflichtet ist, dem Mieter den Schaden zu ersetzen, den er durch diesen Rechtsverlust erleidet10. Andererseits geht der Schutzzweck der §§ 536 Abs. 1, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB freilich nicht dahin, dem Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache unabhängig von sonstigen möglichen Beendigungsgründen für das Mietverhältnis dauerhaft zu gewährleisten. Damit steht es in Einklang, dass der Mieter einen kündigungsbedingten Schadenersatz wegen des entgangenen Gebrauchs der Mietsache nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur für den Zeitraum verlangen kann, in dem der Vermieter auch gegen seinen Willen am Mietvertrag festgehalten werden konnte11. Insbesondere die Ansprüche des Mieters auf Erstattung der Mietdifferenz wegen der Mehrkosten der kündigungsbedingt angemieteten Ersatzwohnung sind daher auf den Zeitraum bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer oder bis zur Wirksamkeit der ersten möglichen Kündigung durch den Vermieter beschränkt12.

Soweit es um einmalige Aufwendungen für die Beschaffung von Ersatzräumen, die Herrichtung dieser Räume und den Umzug geht, wird für deren Erstattungsfähigkeit maßgeblich darauf abzustellen sein, ob diese Kosten durch eine in absehbarer Zeit bevorstehende Vertragsbeendigung unabhängig von den zur Mieterkündigung führenden Umständen ohnehin entstanden wären13. Kann demgegenüber – wie hier – nicht festgestellt werden, dass das Mietverhältnis ohne die zur außerordentlichen Kündigung des Mieters führende; und vom Vermieter zu vertretende mangelbedingte Gebrauchsentziehung überhaupt beendet worden wäre, schließt der Schutzzweck der §§ 536 Abs. 1, 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB den auf rechtmäßiges Alternativverhalten gestützten Einwand des Vermieters aus, dass er das Mietverhältnis seinerseits gekündigt hätte, weil er infolge des Scheiterns der Mangelbeseitigungsversuche dem Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache nicht mehr habe gewähren können.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. November 2016 – XII ZR 153/15

  1. vgl. BGH, Urteil vom 15.03.2000 – XII ZR 81/97 , NJW 2000, 2342 f.; BGH Urteile vom 13.06.2007 – VIII ZR 281/06 , NJW 2007, 2474 Rn. 9; und vom 04.04.1984 – VIII ZR 313/82 , NJW 1984, 2687[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 31.10.2012 – XII ZR 126/11 , NJW 2013, 223 Rn. 35; Staudinger/Emmerich BGB [2014] § 543 Rn. 103[]
  3. Alberts in Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer Gewerberaummiete § 543 BGB Rn. 86[]
  4. BGH Urteil vom 03.07.2013 – VIII ZR 191/12 , NJW 2013, 2660 Rn. 9 f.[]
  5. vgl. Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 12. Aufl. § 543 BGB Rn. 114; Alberts in Ghassemi-Tabar/Guhling/Weitemeyer Gewerberaummiete § 543 BGB Rn. 86; Pietz/Oprée in Lindner-Figura/Oprée/Stellmann Geschäftsraummiete 3. Aufl. Kap. 16 Rn. 323[]
  6. vgl. BGHZ 68, 294, 297 = NJW 1977, 1285, 1286[]
  7. vgl. bereits BGH Urteil vom 06.02.1974 – VIII ZR 239/72 – MDR 1974, 838[]
  8. vgl. BGHZ 96, 157, 173 = NJW 1986, 576, 579 und BGHZ 120, 281, 286 = NJW 1993, 520, 521; BGH Urteile vom 19.07.2016 – VI ZR 75/15 – VersR 2016, 1191 Rn. 7; und vom 09.03.2012 – V ZR 156/11 , NJW 2012, 2022 Rn. 17[]
  9. BGHZ 120, 281, 287 = NJW 1993, 520, 522; BGH Urteil vom 09.03.2012 – V ZR 156/11 , NJW 2012, 2022 Rn. 17; vgl. bereits BGH Urteil vom 30.04.1959 – III ZR 4/58 , NJW 1959, 1316, 1317[]
  10. vgl. BGH Urteil vom 06.02.1974 – VIII ZR 239/72 – MDR 1974, 838[]
  11. vgl. BGH, Urteil vom 17.03.2004 – XII ZR 254/00 – GuT 2004, 120, 121; BGH Urteil vom 12.01.1972 – VIII ZR 26/71 – WM 1972, 335, 337[]
  12. vgl. bereits BGH Urteil vom 15.06.1964 – VIII ZR 255/62 – WM 1964, 831, 833[]
  13. vgl. auch BGH Urteil vom 06.02.1974 – VIII ZR 239/72 – MDR 1974, 838; Grapentin in Bub/Treier Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 4. Aufl. Rn. 309[]