Der Anspruch einer Arbeitnehmerin auf gleiche Bezahlung

Der Anspruch einer Arbeitnehmerin auf höheres Arbeitsentgelt nach dem Entgelttransparenzgesetz und dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz besteht nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg nur in Höhe der Differenz der Mediane der männlichen und weiblichen Vergleichsgruppe.

Mit dieser Begründung hat aktuell das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg der Angestellten eines im Großraum Stuttgart ansässigen Unternehmens die von ihr unter Berufung auf das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) sowie den Gleichbehandlungsgrundsatz eingeklagte höhere Vergütung für die Jahre 2018 bis 2022 nur teilweise zugesprochen. In Teilen erfolgreich war die Arbeitnehmerin, die im streitigen Zeitraum in hälftiger Teilzeit auf der dritten Führungsebene des Unternehmens tätig war, im Hinblick auf die Gehaltsbestandteile Grundgehalt, Company Bonus, Pension One-Kapitalbaustein sowie virtuelle Aktien nebst Dividendenäquivalente. Insgesamt wurden der Arbeitnehmerin von den eingeklagten rund 420.000 EUR brutto ca. 130.000 EUR brutto für fünf Jahre zugesprochen. Das Arbeitsgericht hatte der Klage in erster Instanz noch in weiterem Umfang stattgegeben.

Nach § 3 Abs. 1 EntgTranspG ist bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen verboten. Zudem ist dieses Verbot in § 7 EntgTranspG niedergelegt, wonach für gleiche oder für gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts der oder des Beschäftigten ein geringeres Entgelt vereinbart oder gezahlt werden darf als bei einer oder einem Beschäftigten des anderen Geschlechts. Hintergrund des EntgTranspG sind Bestimmungen aus dem Recht der Europäischen Union. Art. 157 Abs. 1 AEUV verlangt, dass Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit das gleiche Entgelt erhalten. Die entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 2006/54/EG zum Verbot der Diskriminierung beim Entgelt, darunter insbesondere deren Art. 2 Abs. 1 Buchst. e und Art. 4, werden von der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 157 AEUV miterfasst. Deshalb sind § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG entsprechend den Vorgaben der Richtlinie 2006/54/EG und im Einklang mit Art. 157 AEUV unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unionsrechtskonform auszulegen. Zudem gebietet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln.

Im hiesigen Fall lag das individuelle Entgelt der Arbeitnehmerin sowohl unterhalb des Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe als auch unterhalb des Medianentgelts der männlichen Vergleichsgruppe der dritten Führungsebene. Die Arbeitnehmerin begehrte mit ihrer Klage primär die Differenz ihrer individuellen Vergütung zum Entgelt eines von ihr namentlich benannten männlichen Vergleichskollegen bzw. des weltweit bestbezahlten Kollegen der dritten Führungsebene, hilfsweise die Differenz ihrer individuellen Vergütung zum Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe. 

Das Landesarbeitsgericht sah nach tatrichterlicher Gesamtwürdigung aller Umstände vorliegend indes lediglich ein hinreichendes Indiz für eine geschlechtsbezogene Benachteiligung in Höhe der Differenz des männlichen zum weiblichen Medianentgelt. Art. 157 AEUV bzw. § 3 Abs. 1, § 7 EntgTranspG lassen danach nicht irgendein Indiz iSv. § 22 AGG für eine geschlechtsbedingte Vergütungsdiskriminierung ausreichen, um einen Anspruch auf den maximal denkbaren Differenzbetrag zu begründen. Vielmehr muss ein Indiz gerade für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung in einer ganz bestimmten Höhe bestehen. Da im vorliegenden Fall feststand, dass die Vergütung des zum Vergleich herangezogenen Kollegen oberhalb des Medianentgelts der männlichen Vergleichsgruppe1 und die Vergütung der Arbeitnehmerin zudem unterhalb des von der Arbeitgeberin konkret bezifferten Medianentgelts der weiblichen Vergleichsgruppe2 lag, bestand keine hinreichende Kausalitätsvermutung dahingehend, dass die volle Differenz des individuellen Gehalts der Arbeitnehmerin zum Gehalt des namentlich benannten männlichen Kollegen bzw. dem Median der männlichen Vergleichsgruppe auf einer geschlechtsbedingten Benachteiligung beruhte. 

Einen Anspruch auf Anpassung „nach ganz oben“ konnte die Arbeitnehmerin nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg auch nicht auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützen3. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg bei Differenzierungen innerhalb der begünstigten Gruppe auf den Durchschnittswert gerichtet4.

Vorliegend gelang es der Arbeitgeberin schließlich nicht, eine Rechtfertigung der danach verbleibenden Ungleichbehandlung etwa anhand der Kriterien „Berufserfahrung“, „Betriebszugehörigkeit“ oder „Arbeitsqualität“ konkret darzulegen.

Landesarbeitsgericht Baden -Württemberg, Urteil vom 1. Oktober 2024 – 2 Sa 14/24

  1. anders als in BAG 16.02.2023 – 8 AZR 450/21[]
  2. anders als in BAG 21.01.2021 – 8 AZR 488/19[]
  3. entgegen LAG Düsseldorf 20.04.2023 – 13 Sa 535/22[]
  4. im Anschluss an BAG 23.02.2011 – 5 AZR 84/10[]