Kündigung einer Hebamme – wegen ihres früheren Kirchenaustritts

Das Bundesarbeitsgericht hat den Gerichtshof der Europäischen Union um Auslegung des Unionsrechts zu der Frage ersucht, ob ein der katholischen Kirche zugeordnetes Krankenhaus eine Arbeitnehmerin allein deshalb als ungeeignet für eine Tätigkeit ansehen darf, weil sie vor Beginn des Arbeitsverhältnisses aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, auch wenn es von den bei ihm tätigen Arbeitnehmern im Übrigen nicht verlangt, dass sie der katholischen Kirche angehören.

Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV um die Beantwortung der folgenden Fragen ersucht:

  1. Ist es mit Unionsrecht, insbesondere der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (RL 2000/78/EG) im Licht von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta), vereinbar, wenn eine nationale Regelung vorsieht, dass eine private Organisation, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen beruht,
    1. Personen als ungeeignet für eine Beschäftigung in ihren Diensten erachten darf, die vor Begründung des Arbeitsverhältnisses aus einer bestimmten Religionsgemeinschaft ausgetreten sind, oder
    2. von den für sie arbeitenden Personen verlangen darf, dass sie nicht vor Begründung des Arbeitsverhältnisses aus einer bestimmten Religionsgemeinschaft ausgetreten sind, oder
    3. den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses davon abhängig machen darf, dass eine für sie arbeitende Person, die vor Begründung des Arbeitsverhältnisses aus einer bestimmten Religionsgemeinschaft ausgetreten ist, dieser wieder beitritt,

wenn sie von den für sie arbeitenden Personen im Übrigen nicht verlangt, dieser Religionsgemeinschaft anzugehören?

  1. Sofern die erste Frage bejaht wird: Welche gegebenenfalls weiteren Anforderungen gelten gemäß der RL 2000/78/EG im Licht von Art. 21 der Charta an die Rechtfertigung einer solchen Ungleichbehandlung wegen der Religion?

Die beklagte Arbeitgeberin ist dem Deutschen Caritasverband angeschlossen und betreibt unter anderem ein Krankenhaus in Dortmund. Die Arbeitnehmerin war bei ihr bis Mitte 2014 als Hebamme beschäftigt. Im Anschluss daran machte sie sich selbständig. Im September 2014 trat die Hebamme aus der katholischen Kirche aus. Bei einem neuerlichen Einstellungsgespräch im Frühjahr 2019 wurde ihre Zugehörigkeit zur katholischen Kirche nicht thematisiert. Den ihr übersandten und vom Krankenhaus bereits unterzeichneten Arbeitsvertrag reichte die Hebamme zusammen mit einem Personalfragebogen bei Beginn des Arbeitsverhältnisses an die Personalabteilung der Arbeitgeberin zurück. In dem Personalfragebogen hatte die Hebamme den Austritt aus der katholischen Kirche angegeben. Nachdem Gespräche mit dem Ziel, sie wieder zu einem Eintritt in die katholische Kirche zu bewegen, erfolglos blieben, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 26. Juli 2019 zum 31. August 2019. Die Arbeitgeberin beschäftigt in ihrem Krankenhaus konfessionslose Mitarbeiter, die nicht zuvor katholisch waren, auch als Hebammen.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht Hamm hat sie auf die Berufung der Arbeitgeberin abgewiesen1. Das Bundesarbeitsgericht hat jetzt das Verfahren über die Revision der Hebamme ausgesetzt und den EuGH um die Beantwortung von Fragen zur Auslegung des Unionsrechts ersucht.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts bedarf der Klärung, ob die Ungleichbehandlung der klagenden Hebamme mit Arbeitnehmern, die niemals Mitglied der katholischen Kirche waren, vor dem Hintergrund des durch Artikel 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf gewährleisteten Schutzes vor Diskriminierungen unter anderem wegen der Religion gerechtfertigt sein kann.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 21. Juli 2022 – 2 AZR 130/21 (A)

  1. LAG Hamm, Urteil vom 24.09.2020 – 18 Sa 210/20[]