Bewertung des Nutzungsvorteils bei Leasingfahrzeugen in Dieselfällen

Der Bundesgerichtshof hatte sich erneut mit Schadensersatzansprüchen wegen des Leasings und anschließenden Kaufs eines Dieselfahrzeugs entschieden. Im Mittelpunkt der Verfahren stand wiederum die Frage der bei der deliktischen Vorteilsausgleichung vorzunehmenden Bemessung des Nutzungsvorteils des Leasingnehmers.

In den drei jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Verfahren nahm die jeweilige Leasingnehmerin die beklagte Volkswagen AG als Fahrzeug- bzw. Motorherstellerin auf Schadensersatz wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Anspruch:

  • Im ersten Verfahren1 schloss die Leasingnehmerin im Frühjahr 2010 mit der Volkswagen Leasing GmbH einen Leasingvertrag über ein von der Volkswagen AG hergestelltes Neufahrzeug des Typs VW Golf. In der Folgezeit zahlte sie die vereinbarten monatlichen Leasingraten, bis sie das Fahrzeug im Juni 2013 kaufte.
  • Im zweiten Verfahren2 schloss der Leasingnehmer im Februar/Mai 2015 mit der Volkswagen Leasing GmbH einen Leasingvertrag über ein von der Volkswagen AG hergestelltes, gebrauchtes Kraftfahrzeug vom Typ VW Tiguan. Vertragsgemäß erbrachte er in der Folgezeit eine Einmalzahlung sowie monatliche Zahlungen, bis er das Fahrzeug im März 2018 kaufte.
  • Im dritten Verfahren3 schloss die Leasingnehmerin im Dezember 2011 mit der Volkswagen Leasing GmbH einen Leasingvertrag über ein Neufahrzeug des Typs Seat Ibiza 2.0 TDI. Sie leistete eine Sonderanzahlung und monatliche Raten, zudem wandte sie 1.178,29 € für den Einbau eines Gewindefahrwerks auf. Anfang August 2016 kaufte sie das Fahrzeug.

In den betroffenen Fahrzeugen ist jeweils ein von der Volkswagen AG hergestellter Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut. Die Motoren enthielten bei Abschluss der Leasingverträge eine Software, die den Betrieb des Fahrzeugs auf einem Prüfstand erkannte und in diesem Fall einen geringeren Stickoxidausstoß als im Normalbetrieb bewirkte.

Die Leasingnehmer haben in den Vorinstanzen im Wesentlichen die Erstattung ihrer Leasingzahlungen abzüglich einer Nutzungsentschädigung begehrt. Ihre Klagen waren in den Berufungsinstanzen vor den Oberlandesgerichten Köln und Koblenz jeweils zum Teil erfolgreich4. Die Oberlandesgerichte haben übereinstimmend angenommen, dass den Klageparteien ein Anspruch auf Erstattung ihrer Leasingzahlungen (im dritten Verfahren3 zuzüglich der Aufwendungen für das Gewindefahrwerk) unter Anrechnung gezogener Nutzungsvorteile zustehe. Der Wert der während der Leasingzeit erlangten Nutzungsvorteile entspreche nicht den von den Klageparteien erbrachten Leasingzahlungen, sondern sei nach der für den Fahrzeugkauf anerkannten Berechnungsformel, also Fahrzeugpreis mal Fahrstrecke geteilt durch Laufleistungserwartung5, beziehungsweise gemäß dem während der Leasingzeit eingetretenen Wertverlust des Fahrzeugs (so das OLG Köln im zweiten Verfahren: BGH – VII ZR 285/21) zu bemessen.

Die von den Oberlandesgerichten zugelassenen Revisionen der Volkswagen AG hatten in allen drei Fällen vor dem Bundesgerichtshof Erfolg. Sie führten im zweiten und dritten6 jeweils zur vollständigen Abweisung der Klage und im ersten Verfahren VII ZR 247/21 zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils7, durch das die Volkswagen AG lediglich zur Erstattung des im Juni 2013 von der Leasingnehmerin gezahlten Kaufpreises abzüglich der nach dem Kauf gezogenen Nutzungen verurteilt worden war.

Wie der Bundesgerichtshof mit zwischenzeitlich bereits entschieden hat8 entschieden hat, entspricht im Rahmen der deliktischen Vorteilsausgleichung der Wert der während der Leasingzeit erlangten Nutzungsvorteile eines Kraftfahrzeugs der Höhe nach den vertraglich vereinbarten Leasingzahlungen. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof in den vorliegenden drei Urteilen bestätigt. Die Frage, ob eine andere Betrachtung dann geboten ist, wenn aufgrund der Vertragsgestaltung von vornherein feststeht, dass der Leasingnehmer das Fahrzeug nach Ablauf der Leasingzeit übernimmt, bedurfte in dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil9 hatte das Oberlandesgericht Köln10 gemeint, eine dem Kaufrecht entsprechende Bewertung des Nutzungsvorteils sei hier jedenfalls deshalb vorzunehmen, weil der Gesamtvorgang beziehungsweise Vertrag von Anfang an auf den Erwerb des Fahrzeugs ausgerichtet gewesen sei. Mehr als eine Vorstellung der Leasingnehmerin oder gegebenenfalls beider Vertragsparteien, die jedoch nicht Gegenstand der Vertragsgestaltung geworden ist, lässt dies nicht erkennen. Eine bereits bei Abschluss des Leasingvertrags getroffene Vereinbarung über den späteren Fahrzeugerwerb ist dagegen weder den Feststellungen des Oberlandesgerichts unter Berücksichtigung der im Berufungsurteil in Bezug genommenen Vertragsunterlagen noch dem revisionsrechtlich beachtlichen Parteivorbringen zu entnehmen.

  • In der zweiten Sache2 stand die Auffassung des dortigen Oberlandesgerichts Köln, der Wert der Nutzungen sei nicht mit den erfolgten Leasingzahlungen, sondern mit dem Wertverlust des Fahrzeugs während der Leasingzeit gleichzusetzen11, im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung, von der abzuweichen der Bundesgerichtshof keinen Anlass gesehen hat. Der Wertverlust des Fahrzeugs während der Leasingzeit ist kein geeigneter Maßstab zur Bemessung des Nutzungsvorteils. Der Wertverlust stellt keinen Vorteil dar, den der Leasingnehmer erlangt. Er entspricht auch nicht dem Wert der leasingmäßigen Fahrzeugnutzung.
  • Im dritten Verfahren3 hatte das Oberlandesgericht Koblenz12 seiner Schätzung des während der Leasingzeit von der Leasingnehmerin erlangten Nutzungsvorteils durch Anwendung der für den Fahrzeugkauf anerkannten Berechnungsformel gleichfalls einen unrichtigen Maßstab zugrunde gelegt. Eine Vertragsgestaltung, bei der von vornherein feststeht, dass der Leasingnehmer das Fahrzeug nach Ablauf der Leasingzeit übernimmt, war auch in diesem Fall weder den Feststellungen des Oberlandesgerichts noch dem revisionsrechtlich beachtlichen Parteivorbringen zu entnehmen. Vielmehr sah die Leasing-Bestätigung eine abschließende Fahrzeugverwertung durch die Leasinggeberin über den Kraftfahrzeughandel vor. Die Annahme des Oberlandesgerichts, dass bereits der Leasingvertrag auf einen späteren Erwerb des Fahrzeugs durch die Leasingnehmerin ausgerichtet gewesen sei, was sich insbesondere daran zeige, dass die Leasingnehmerin das Fahrzeug bereits im Jahr 2012 auf eigene Kosten habe umbauen lassen, lässt lediglich eine rechtlich nicht abgesicherte Erwerbsvorstellung der Leasingnehmerin erkennen, die eine Gleichbehandlung mit einem Fahrzeugkäufer bei der Vorteilsbemessung nicht rechtfertigt.

    Die Leasingnehmerin hat ferner keinen Anspruch auf Erstattung der für das Sportfahrwerk (Gewindefahrwerk) aufgewendeten Kosten. Wie das Oberlandesgericht insoweit unangefochten und zutreffend entschieden hat, kann die Leasingnehmerin keinen Schadensersatz für den im August 2016 erfolgten Fahrzeugkauf verlangen. Folglich besteht auch kein begründeter Anlass für eine Herausgabe des Fahrzeugs an die Volkswagen AG. Vor diesem Hintergrund stellt der Einbau des Gewindefahrwerks keine ganz oder teilweise vergebliche, womöglich ersatzfähige Aufwendung dar.

  • BGFH, Urteile vom 21. April 2022 – VII ZR 247/21 – VII ZR 285/21 und VII ZR 783/21

    1. BGH – VII ZR 247/21[]
    2. BGH – VII ZR 285/21[][]
    3. BGH – VII ZR 783/21[][][]
    4. OLG Köln, Urteile vom 17.12.2020 – 15 U 84/20; und vom 25.02.2021 – 18 U 138/20; OLG Koblenz, Urteil vom 08.07.2021 – 1 u 1129/20[]
    5. so die OLG Köln und Koblenz im ersten und dritten Verfahren: BGH – VII ZR 247/21 und 783/21[]
    6. BGH – VII ZR 285/21 und 783/21[]
    7. LG Köln, Urteil vom 24.03.2020 – 32 O 308/18[]
    8. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 192/20[]
    9. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 192/20) keiner Entscheidung und konnte auch in den drei hier entschiedenen Verfahren offenbleiben.

      • In der ersten Sache ((BGH – VII ZR 247/21[]
      • OLG Köln, Urteil vom 17.12.2020 – 15 U 84/20[]
      • OLG Köln, Urteil vom 25.02.2021 – 18 U 138/20[]
      • OLG Koblenz, Urteil vom 08.07.2021 – 1 U 1129/20[]