Ein von einem Fernwärmekunden bereits frühzeitig – innerhalb von drei Jahren nach Zugang der ersten Jahresabrechnung – erhobener Widerspruch gegen eine Preiserhöhung verliert seine Wirkung, wenn der Kunde nicht spätestens bis zum Ablauf von weiteren drei Jahren ab der Erklärung des Widerspruchs in geeigneter Weise gegenüber dem Fernwärmeversorger deutlich macht, dass er auch jetzt noch an seiner frühzeitig geäußerten Beanstandung festhält.
In den drei jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fällen belieferte die Stadtwerke die klagenden Kunden seit den Jahren 2008 bzw.2010 auf der Grundlage ihrer Allgemeinen Versorgungsbedingungen mit Fernwärme. Hiernach stellt sie ihren Kunden einen verbrauchsunabhängigen Bereitstellungspreis und einen verbrauchsabhängigen Arbeitspreis in Rechnung. Diese Preise passt sie nach Maßgabe im Vertrag vorgesehener Preisänderungsklauseln an. Nach Zugang der ersten Jahresabrechnung legten die Kunden jeweils im Jahr nach dem Vertragsschluss – und damit frühzeitig – Widerspruch gegen die Preiserhöhung ein. In der Folgezeit zahlten sie für die von ihnen abgenommene Fernwärme die von der Stadtwerke jährlich in Rechnung gestellten – nach Maßgabe der Preisänderungsklausel angepassten – Entgelte.
Nachdem das Berliner Kammergericht Anfang des Jahres 2019 in einem anderen gegen die Stadtwerke gerichteten Rechtsstreit entschieden hatte, dass die in ihren Allgemeinen Versorgungsbedingungen enthaltenen Preisänderungsklauseln unwirksam seien, verlangten die Kunden von der Stadtwerke nunmehr – ausgehend von den im Vertrag genannten Basispreisen für die Jahre 2000 bzw.2005 – die Rückerstattung der ihrer Ansicht nach seit 2015 zu viel gezahlten Wärmeentgelte. Diese Klagen hatten insoweit in zweiter Instanz vor dem Landgericht Berlin1 bzw. dem Kammergericht2 keinen oder nur geringfügigen Erfolg. Nach Auffassung der Berliner Gerichte stehen den Kundenn Ansprüche auf Rückzahlung überhöhten Entgelts für die Wärmelieferungen der Jahre 2015 bis 2018 nicht oder nur in sehr geringem Umfang zu. Zwar sei die Preisänderungsklausel in den Allgemeinen Versorgungsbedingungen der Stadtwerke hinsichtlich des Arbeitspreises unwirksam. Daraus folge aber nicht, dass die Stadtwerke lediglich berechtigt sei, den bei Vertragsschluss vereinbarten (niedrigen) Arbeitspreis in Rechnung zu stellen. Vielmehr sei im Wege ergänzender Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB auf das Preisniveau abzustellen, das vor den Jahresabrechnungen gegolten habe, welche noch innerhalb von drei Jahren nach deren Zugang beanstandet worden seien. Daher seien die Arbeitspreise der Jahre 2014 bzw.2015 maßgeblich. Daran änderten auch die frühzeitig in den Jahren 2009 bzw.2011 erhobenen Widersprüche nichts, da die Kunden im Anschluss daran viele Jahre lang den Preiserhöhungen und Jahresabrechnungen nicht mehr widersprochen hätten.
Mit den in den Berufungsurteilen zugelassenen Revisionen verfolgen die Parteien ihre vorinstanzlichen Begehren weiter. Die Kunden erstreben unter anderem eine (weitergehende) Verurteilung der Stadtwerke zur Rückzahlung von Wärmeentgelt auf der Grundlage der (niedrigen) Anfangspreise. Die Revisionen der Fernwärmekunden hatten insoweit Erfolg, der Bundesgerichtshof hob die Berufungsurteile auf:
Das Kammergericht und das Landgericht Berlin sind zwar zutreffend davon ausgegangen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die infolge der Unwirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten Preisänderungsklausel nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB entstandene planwidrige Regelungslücke bei Fernwärmelieferungsverträgen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 157, 133 BGB) grundsätzlich dahingehend zu schließen ist, dass der Kunde die Unwirksamkeit derjenigen Preiserhöhungen, die zu einem den vereinbarten Anfangspreis übersteigenden Preis führen, nicht mehr geltend machen kann, wenn er sie nicht innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren nach Zugang der jeweiligen Jahresrechnung, in der die Preiserhöhung erstmals berücksichtigt worden ist, beanstandet hat.
Diese allgemein für Energielieferungsverhältnisse entwickelte Dreijahreslösung hat der Bundesgerichtshof nunmehr für Fernwärmelieferungsverhältnisse angesichts der diese kennzeichnenden Besonderheiten (insbesondere hohe Investitionen des Fernwärmeversorgers und regelmäßig sehr lange Mindestvertragslaufzeiten) fortentwickelt. Denn wenn die Parteien des Fernwärmelieferungsvertrages erkannt hätten, dass die Wirksamkeit der vereinbarten Preisanpassungsklausel unsicher war, hätten sie bei einer angemessenen, objektiv-generalisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben (auch) eine Regelung vereinbart, nach der ein vom Fernwärmekunden bereits frühzeitig – innerhalb von drei Jahren nach Zugang der ersten Jahresabrechnung – erklärter, aber erfolglos gebliebener Widerspruch gegen eine Preiserhöhung seine Wirkung verliert, wenn der Kunde nicht spätestens bis zum Ablauf von weiteren drei Jahren ab der Erklärung des Widerspruchs in geeigneter Weise gegenüber dem Fernwärmeversorger deutlich macht, dass er auch jetzt noch an seiner frühzeitig geäußerten Beanstandung festhält.
Auf der Grundlage der bislang in den Berufungsurteilen getroffenen Feststellungen konnte der Bundesgerichtshof indes nicht abschließend beurteilen, ob die Kunden ihre in den Jahren 2009 bzw.2011 erklärten frühen Widersprüche innerhalb von drei Jahren gegenüber der Stadtwerke in dem vorgenannten Sinne bekräftigt haben. Daher hat der Bundesgerichtshof die Berufungsurteile insoweit aufgehoben und die Sachen jeweils zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Kammergericht bzw. das Landgericht Berlin zurückverwiesen.
Bundesgerichtshof, Urteile vom 25. September 2024 – VIII ZR 165/21 – VIII ZR 176/21 und VIII ZR 20/22