Der Bundesgerichtshof hatten sich erneut1 mit dem Anspruch des Käufers eines Diesel-Gebrauchtwagen auf „kleinen“ Schadensersatz zu befassen.
Anlass hierfür war ein Fall aus Bonn: Der Käufer erwarb im September 2013 für 12.999 € von einem Dritten einen Gebrauchtwagen Seat Leon, der mit einem von der beklagten Volkswagen AG hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 189 versehen war. Bei Erwerb wies das Kraftfahrzeug eine Laufleistung von 60.400 km auf. Es war mit einer Software ausgestattet, die erkannte, ob es sich auf einem Prüfstand befand, und in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus in einen Stickoxid-optimierten Modus wechselte. Nach Bekanntwerden des sogenannten Abgasskandals ließ der Käufer ein von der Volkswagen AG entwickeltes Software-Update aufspielen. Zum 31. Dezember 2019 betrug die Laufleistung des Kraftfahrzeugs nach Angaben des Käufers rund 275.000 km.
Das erstinstanzlich hiermit befasste Amtsgericht Bonn hat die auf Leistung des vorgerichtlich verlangten „kleinen“ Schadensersatzes nebst Zinsen und auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen2, das Landgericht Bonn die Berufung des Gebrauchtwagenkäufers gegen das amtsgerichtliche Urteil zurückgewiesen3. Die vom Landgericht Bonn zugelassene Revision des Käufers hatte überwiegend Erfolg:
Hierbei hat der Bundesgerichtshof zunächst seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass der Käufer eines vom „Dieselskandal“ betroffenen Fahrzeugs ein Wahlrecht hat. Er kann gegen Rückgabe des Fahrzeugs und Anrechnung von Nutzungsvorteilen den gesamten Kaufpreis zurückverlangen („großer“ Schadensersatz). Er kann aber auch das Fahrzeug behalten und lediglich als „kleinen“ Schadensersatz die Differenz zwischen einem höheren Kaufpreis und einem gegebenenfalls niedrigeren Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags beanspruchen. Für diese zweite Möglichkeit hat sich der Käufer entschieden, dessen Klage deshalb nicht ohne weitere Prüfung der Höhe seines Anspruchs hätte abgewiesen werden dürfen.
Im konkreten Fall besteht allerdings die Besonderheit, dass der Käufer das mit einem Kilometerstand von 60.400 km gebraucht gekaufte Fahrzeug bei Klageerhebung schon über weitere 200.000 km bis zu einem Kilometerstand von rund 275.000 km gefahren hatte. Damit steht im Raum, dass der Käufer sich im Wege der Vorteilsausgleichung den Wert von Nutzungen auf den „kleinen“ Schadensersatz in dem Umfang anrechnen lassen muss, in dem der Wert der Nutzungen den Wert des Fahrzeugs bei Vertragsschluss übersteigt.
Da das Landgericht Bonn – aus seiner Sicht konsequent – weder Feststellungen zum Wert des Fahrzeugs bei Vertragsschluss noch zum Wert der vom Käufer gezogenen Nutzungen getroffen hat, hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil im Ausspruch zum „kleinen“ Schadensersatz aufgehoben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das Landgericht Bonn zurückverwiesen. Das Berufungsurteil hatte im Ergebnis nur insoweit Bestand, als das Landgericht Bonn den Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten verneint hat.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Januar 2022 – VIa ZR 100/21





